Geht man von sich selbst aus, wenn man ein Leitsystem gestaltet und fragt sich zum Beispiel wie man selbst den Weg zur Toilette finden würde?
Natürlich. Wie gesagt, im Moment läuft der Probebetrieb. Die entscheidende Frage ist nun: Überbeschilderung oder minimal Variante – dieses Ermessen hängt nun von einzelnen Probanden des Flughafens ab. Wir vertreten nach wie vor die Meinung, lieber klare und einfache Beschilderung als alle Eventualitäten abzudecken.
Wozu führt Überbeschilderung?
Dass man vor lauter Wald die Bäume nicht mehr sieht. Wir haben versucht die Beschilderung so angenehm aber auch so deutlich wie möglich zu gestalten. Auch die Architekten haben an den Stellen, an denen Passagiere in Berührung mit dem Gebäude kommen, es so gestaltet, dass diese Berührungspunkte warme Oberflächen haben und so die Passagiere Willkommen heißen. Wir haben jedenfalls versucht, ein gutes Maß zu finden.
Wie viele Schilder sind es insgesamt, die ihr verwendet habt?
Ca. 3000 Stück.
Wie konzipiert man die Reihenfolgen von Schildern?
Wir haben das sehr grafisch aufgefasst und diese Abfolgen immer wieder zusammen gesetzt, um dann von Schritt zu Schritt zu überprüfen, ob es eine Informationskette ist, die durchgängig ist. Es entstanden also keine Einzelschilder, sondern es wurde immer als ein Ganzes gesehen und konzipiert. Ein einfaches Beispiel beschreibt diesen Aufbau der Kette: Am Anfang liegt das Interesse des Passagiers an den Informationen zu Check-In und Abflug, danach dann die Frage nach dem gezielten Gate und hier beginnt der Übergang von grober zu feiner Orientierung. In Berlin funktioniert dieses System, indem die vier Gatesbereiche mit vier Buchstaben gekennzeichnet sind, welche man auf der Boarding Card dann wieder findet. Ob Gate A,B,C oder D – das interessiert mich bei Check-In noch nicht und so muss man entscheiden, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt eingeführt werden. Am Anfang ist also die Hauptrichtung wichtig und am Ende ist z. B. die exakte Gate-Nummer wichtig und diese haben wir dann größer gemacht oder anders gewichtet. Die Kategorie »komplex empfundene Situationen« gab es auch; einen U-Turn, wenn man aus der U-Bahn kommt, um zum Flughafen zu gelangen. Es gibt also absolut unproblematische Situationen – Positionierung des Inhaltes, fertig – und Situationen, die wirklich sehr komplex sind.
Haben sich während des Prozesses Faustregeln entwickelt?
Eine der wenigen Faustregeln ist beispielsweise, dass es immer nur einen Weg gibt, der zum Ziel führt. Aber auch diese Faustregel wurde einmal gebrochen. Pauschalisieren kann man das eigentlich nicht.
Außerdem haben wir klar unterschieden zwischen primären und sekundären Informationen. Die Primärinformationen stehen auf roten Flächen und Sekundärinformationen stehen auf grauen Fläche und sind häufig in Form von Piktogrammen dargestellt. Für das Auge wird somit eine bessere Orientierung geschaffen. Mit den Piktogrammen beschäftigt man sich ein wenig länger, da sie etwas kleinteiliger sind. Wichtige Informationen sind also leicht zu erkennen und aufschlussreich, auch wenn man panisch unter Zeitmangel den Weg zum Gate sucht, findet man ihn.
Wir haben uns auch für verschiedene Schriftgrößen und Schriftschnitte entschieden, da das Auge diese besser differenzieren kann. Wir haben also nicht alles gleich groß gesetzte, wie es z.B. in der Schweizer Grafik üblich und am Züricher Flughafen zu sehen ist. Eine doppelte Differenzierung ist auch durch die Tonwertoptimierung entstanden. Diese Methode bringt Differenzierungsmöglichkeiten ohne bunt zu werden. Rot sollte die klare Leitfarbe sein, differenziert wird also mit Tonwerten (feinen Linien) Größen und Schriftschnitten.
Früher war es undenkbar, so viele Linien zu plotten. Aber durch den heutigen Digitaldruck ist so einfach möglich. Noch nicht viele Flughäfen arbeiten mit digital gedruckten Leitsystemen.
Was musstet ihr nach dem Testbetrieb am Flughafen ändern lassen?
Die Information in den Treppenhäusern wird im Moment aufgestockt. Die Passagiere sollen nicht stehen bleiben, um sich umzusehen. Sie müssen im Treppenhaus im Fluß bleiben, hier gibt es aber noch einige unklare Abzweige, daran arbeiten wir gerade.
Es hängen zur Zeit zum Teil verkleinerte DIN A3 Schilder an der Wand, die eigentlich später drei bis viermal so groß sein sollten und trotzdem mussten die Test-Passagiere ihre Wege finden. Dies ist nicht ganz repräsentativ, nicht wie es später im Raum aussehen wird. Wenn man es aber im Testbetrieb schafft, dann ist es, wenn es fertig ist, hoffentlich unmöglich, nicht zum Ziel zu gelangen.
Würdet ihr sagen, dass das Projekt eher Verwaltung und Politik ist als Gestaltung?
Ist Gestaltung nicht Verwaltung von Elementen? Dieses Gigantische ist schon etwas Tolles und da gehören verschiedene Dinge dazu. Man kann es Verwaltung nennen, aber es ist eher Informations- und Kommunikationsdesign. Nicht nur sichtbares Design wurde gestaltet, oft haben wir Gestaltungs/Informationsvarianten aufbereitet, aufgrund derer die Entscheidung in Gremien leichter fiel. Wir haben also sozusagen visuelle Entscheidungshilfe geleistet – mit Informationsdesign.
Wie sieht das Außengelände aus?
Das Leitsystem hört nicht an der Fassade auf. Der Flughafen hat z.B. eigens gestaltete, rote Straßenschilder und nicht die profanen, weißen Schilder der Stadt Berlin übernommen. Die Straßennamen sind in der Schrift des Flughafens gesetzt und sind von uns formal so gestaltet, dass sie in das System passen.
Wo führt das hin, wenn jeder seine eigenen Straßenschilder entwirft und jedes Siemens-Gelände eigene Schilder entwerfen lässt?
Für den Hauptstadtflughafen ist das angemessen. Natürlich gibt es Flughäfen, die sagen, dass sie so etwas nicht machen, aber bei uns fängt der Flughafen schon nach der Autobahnabfahrt an und das zeigen wir damit. Die Airport City gehört auch dazu und so wird das Areal als ganzes wahrgenommen. Außerdem gibt es noch den Aspekt, dass eine andere Wahrnehmung ausgelöst wird durch die veränderte Umgebung; vielleicht fühlt man sich sogar sicherer. Auch bei den Schildern war es ein Prozess. Es gibt natürlich bestimmte Vorgaben und Normen für Verkehrsschider, die einzuhalten sind. Unser erster Entwurf zeigte weiße Schrift auf rotem Grund. Dieser wurde nicht genehmigt, da es Richtlinien für den Weißanteil auf Verkehrsschildern gibt. Die Lösung waren also farbige Flächen auf weißem Grund.
Gibt es außerdem Besonderheiten?
Wir haben das Grundkonzept für die Übersichtspläne gemacht, ausgearbeitet und zum Teil werden diese jetzt von den einzelnen Abteilungen weiter detailliert. Es gibt eine flache und eine axonometrische Darstellung der verschiedenen Ebenen.
Wenn ihr für einen anderen Flughafen beauftragt werden würdet, ist es nicht so, dass man eigentlich dann dort leben müsste?
Ja, für bestimmte Phasen muss man schon ziemlich präsent sein. Das war wahrscheinlich mit ein Grund, warum wir den Job für den Berliner Flughafen bekommen haben, da wir unser Büro vor Ort haben. Die ersten Jahre haben wir nur mit Plänen gearbeitet, erst später in der Endphase, ca. zwei oder drei Jahre davor, fängt man an, auf die Baustelle zu fahren.
Die nächsten großen Flughafen-Projekte entstehen wahrscheinlich in China oder?
Ja, dann machen wir eben ein kleines Büro in China auf. (Lachen)
Noch etwas Resümierendes für den Abschluss?
Es war echt genial und hat super viel Spaß gemacht. Wir sind wirklich happy mit dem Projekt. Vor allem, weil es so lange andauerte. Es ist hochinteressant ein Projekt dieser Größenordnung über Jahre zu begleiten. Es war zu jedem Zeitpunkt spannend. Man wächst immer mehr mit dem Projekt und den Projektpartnern zusammen, die man kennenlernt und baut Vertrauen auf.